MAP

Fun & Talk

Interview mit W.F.M.H., dem Herausgeber des neuen Sprachenlernprogrammes Electronic Teacher 5

---

Autor: André Beer j.beer@abo.freiepresse.de)
Gesprächspartner: Marcin Orlowski carlos@wfmh.org.pl)

AB:
Hallo Marcin,
W.F.M.H. ist in Deutschland bisher sicherlich nur Insidern bekannt. Kannst Du uns W.F.M.H. etwas näher vorstellen, d.h. was bedeutet W.F.M.H., wer steht dahinter, was habt Ihr für eine Vorgeschichte?

MO:
Jene Eurer Leser, die früher Atari 8-Bit-Rechner besassen, mögen sich an die "The Top" Demos wie auch an andere Spiele und Programme erinnern, die unter diesem Namen erschienen. W.F.M.H. ist eine Abkürzung für World Federation of Mad Hackers (zu deutsch: "Welt-Vereinigung der wahnsinnigen Hacker") und wurde 1989 von Marcin Dudar und Miloslaw Smyk als sogenannte "Informal computer group" gegründet. Für einige Jahre war W.F.M.H. zumeist eine Demo-Gruppe, zuerst in der Atari 8-Bit Szene, dann, in 1992, verschob sich der Schwerpunkt zur Amiga-Programmierung. Einige neue Leute (mich eingeschlossen) kamen in dieser Zeit hinzu. Jetzt haben wir um die 10 Mitglieder, meist Programmierer. In 1996 hat Andrzej Piasecki unser endgültiges Megademo veröffentlich und seitdem haben wir "nur" noch Anwender- Software produziert.

AB:
Ist der Electronic Teacher (ET) Eure erste kommerzielle Software für den Amiga?

MO:
Nein, Electronic Teacher ist nicht unsere erste kommerzielle Veröffentlichung. Wir haben bereits eine breite Palette an Amiga-Software für einen großen Kundenkreis (z.B. das polnische Lokalisierungs-Paket W.F.M.H. LocalePL, dem inoffiziellen polnischen Lokalisierungsstandard) geschrieben, wie auch integrierte Systeme auf Bestellung einzelner Kunden: wie ein Gas-Station- Management-System (nur Software) oder ein kombiniertes Hard- und Softwarepaket für das Aufnehmen und Bearbeiten medizinischer Röntgenbilder und -serien, bestellt von unserer örtlichen Klinik. Es gibt noch eine Menge weiterer Projekte, entweder unter dem Konzept der Shareware oder als frei erhältliche Tools veröffentlicht. Die meisten davon stehen auf unserer Homepage bereit, so möchte ich jeden Interessierten einladen, uns einen Besuch abzustatten.

AB:
Sind die Entwickler von eTeacher dieselben Personen wie die von W.F.M.H.?

MO:
Nein, Krzysztof Jonko, der Hauptentwickler des Elektronischen Lehrers ist weder ein Mitglied noch ein Angestellte von W.F.M.H. In diesem Fall sind wir mehr die Herausgeber und Projekt-Koordinatoren als die Programmierer - Krzysztof schrieb fast das ganze Programm im Alleingang. Der einzige Zeitpunkt, zu dem wir Hand an den Programmcode legten, war, als der Veröffentlichungstermin näher und näher rückte, und Krzysztof infolge einiger persönlicher Gründe nicht in der Lage war, das Programm selbst fertigzustellen.

AB:
Wie lang dauerte die Entwicklung von eTeacher bis zur ersten Veröffentlichung?

MO:
Das ist schwer zu sagen, weil es bereits einige veröffentlichte Versionen des eTeacher gab. Die Version 5 ist aber auf jeden Fall die erste internationale Veröffentlichung, mit Versionen für deutsche, italienische und polnische Anwender. Es nahm ungefähr 3 Jahre in Anspruch, bis ET so aussah, wie Ihr ihn heute vor Euch seht. Und er wird noch aktiv weiterentwickelt.

AB:
Beschreibe doch mal in wenigen Worten, welches die Hauptmerkmale von ET sind, um ihn zum besten Sprachentrainer auf dem Amiga zu machen.

MO:
Schön, daß Du ihn so magst. Ich weiß nicht, ob es der beste Sprachentrainer für den Amiga ist, aber ich denke, es ist das am meisten fortgeschrittenste und allgemeingültigste Programm dieser Art. Das komplette Programm ist ausschließlich auf CD erhältlich (es gibt keine Disketten-Version) und beinhaltet über 640MB verschiedener Daten (jetzt wißt Ihr auch, warum es keine Floppy-Version gibt ;-)

AB:
Denkst Du, daß Software-Piraterie ein großes Problem auf dem Amiga-Markt darstellt? Ist eTeacher davon betroffen?

MO:
Ja, Software-Diebe (ich weiß nicht, warum die Leute sie "Piraten" nennen) sind ein großes Problem (meiner Meinung nach es ist jetzt grösser als jemals zuvor). Warum? Zumeist infolge des kleineren Software-Marktes. Es ist kein Geheimnis, daß wir nicht so viele aktive Software-Herausgeber auf dem Amiga-Markt haben. Das Stehlen ihrer Produkte verhindert, daß sie an (finanzielle) Ressourcen für ihre zukünftige Arbeit kommen. Es ist ein ganz einfaches und offensichtliches Verhältnis (Ich frage mich, warum so viele Leute es nicht sehen können?): Das Erschaffen jedes größeren Produktes nimmt eine Menge Zeit und Ressourcen (hauptsächlich finanzieller Art) in Anspruch. Programmierer sind ganz gewöhnliche menschliche Geschöpfe - sie müssen essen, Rechnungen bezahlen usw. Sie müssen bezahlt werden, egal ob sie an einem noch nicht veröffentlichten Projekt arbeiten (und jedes Projekt ist für eine lange Zeit "nicht veröffentlicht", bevor Du es angekündigt und veröffentlicht siehst), daß keine Gewinne abwirft oder ob es sich um ein bereits veröffentlichtes Produkt handelt. Nachdem das Produkt veröffentlicht ist, möchte der Herausgeber die während der Entwicklung entstandenen Kosten zurückerhalten. Es dauert eine Weile, bis ein fertiges Produkt irgendein Einkommen abwirft. Wenn Du also (zum Beispiel) unser Produkt stiehlst, erhalten wir von Dir kein Geld, auch wenn Du das Programm magst (Bezahlen der Raubkopierer bestärkt diese nur noch in ihrem Tun!). Kein Geld für uns bedeutet, daß wir unsere entstandenen Kosten nicht zurückerhalten, von einem Gewinn ganz zu schweigen. Und ich denke, daß niemand eine Menge Geld und fast ein Jahr (welches wir zusammen mit Krzysztof an der Version 5 arbeiteten) investiert, einfach zu Deinem Vergnügen und ohne irgeneinen Lohn dafür. Das Erschaffen von Amiga-Software ist unser Weg zu leben. Das Stehlen unserer Software macht uns zu Verlierern unseres Geldes. Und das könnte uns zwingen, den (Amiga-)Markt fallen zu lassen, auch wenn die Magazine dem Electronic Teacher weiterhin so hohe Noten in ihren Testberichten geben (z.B. das polnische Amiga Magazin vergab 5/5 und ACS 8/10). Es ist sehr angenehm, daß die Leute unsere Arbeit würdigen und unsere Software als kaufenswert einschätzen. Aber es wäre besser, wenn sie beginnen würden, unsere Software zu kaufen, anstelle sie einfach nur als "kaufenswert" einzuschätzen. Ohne diese Tatsache wird der Amiga-Markt nicht anfangen zu wachsen (und dies gilt für jede kommerzielle Software). Der ökonomische Aspekt ist für jedes Geschäft sehr wichtig. Das ist so einfach wie es nunmal ist.

AB:
Wird es zukünftig irgendwelche Updates von eTeacher geben?

MO:
Unsere ToDo-Liste ist noch ganz gewaltig und es gibt es keinen Zweifel daran, daß wir sie wahr machen möchten. Zuerst werden die deutschen Anwender das kostenlose Service-Paket für ihr englisches Grammatik-Handbuch bekommen. Italienische User werden ein ähnliches Paket für italienische Übungen erhalten. Und die Veröffentlichung der Version 5.3 ist für Mitte Februar geplant.

AB:
Was sind denn die wesentlichen vorgesehenen Verbesserungen?

MO:
Das ist ein Geheimnis. Wartet und seht selbst ;-)

AB:
Habt Ihr weitere Software-Titel in Entwicklung?

MO:
Ja, wir arbeiten auch an einigen weiteren Software-Projekten, mit PalmSuite als dem derzeit wichtigsten. Die PalmSuite ist ein Paket mit Amiga-Software zum Anschluß, zur Synchronisation und zum Betrieb eines am Amiga angeschlossenen 3COM PalmPilot-Organizer. Der PalmPilot ist der mittlerweile populärste Handheld-Organizer (Taschencomputer) mit über 60% Marktanteil. Wie jeder moderne Organizer kann der PalmPilot mit seinem Hauptcomputer zur Datensynchronisierung, zum Aufspielen neuer Software ect. verbunden werden. Bisher konnten nur PC- und Mac-User die Vorteile der Verbindung mit dem PP nutzen. Wir planen, dies mit der PalmSuite zu verändern, wozu einige grundlegende Features der vorhandenen PC- und Mac-Software gehören, die einige einzigartige und fortschriftliche Dinge ermöglichen werden. Werft doch mal einen Blick darauf (auf beides PalmSuite und PalmPilot -> er ist mit einer Motorola CPU ausgestattet und ist M$[-]CE frei ;-)

AB:
Wann können wir mit der Veröffentlichung der PalmSuite rechnen?

MO:
Wir hoffen sie bis Ende Februar'99 fertigstellen zu können. Ich empfehle jedoch, von Zeit zu Zeit unsere Homepage (http://amiga.com.pl/) zu besuchen oder unsere Mailing-Liste für Neuerscheinungen zu abonnieren.

AB:
Werden Eure zukünftigen Programme auch Highend-Amiga's mit PPC, Grafikkarte ect. unterstützen?

MO:
Wir finden, eine Grafikkarte, Fast-RAM und schnelle CPU's gehören zur Standardausstattung eines (ernsthaften) Amiga-Anwenders. Das bedeutet nicht, daß wir Euch zwingen möchten, eine solche Ausstattung zu besitzen, weil die Programme es wirklich erfordern. Aber keines unserer Programme weigert sich, auf entsprechend ausgestatteten Amiga's zu laufen. Der PPC kann für eine Geschwindigkeitssteigerung sorgen, wenn er für CPU-intensive Tasks benutzt wird. Aber weder eTeacher noch die PalmSuite sind prozessor-hungrige Software, sodaß Du keine Vorteile einer speziellen PPC-Version hättest.

AB:
Wie denkt Ihr über die Pläne von Amiga, Inc. und der nahen Amiga-Zukunft? Ist die Veröffentlichung von OS 3.5 ein Schritt in die richtige Richtung?

MO:
Schwer zu sagen. Es hängt davon ab, ob wir 3.5 jemals zu sehen bekommen und was es beinhaltet. Nach den letzten Veröffentlichungen von AI wie Maus-Pads, Uhren und anderen "nützlichen" Sachen, habe ich keinen großen Respekt mehr vor ihnen. Aber glaubt mir, ich würde mich gerne in meiner Meinung täuschen. Ich persönlich möchte keinerlei mehr solche "Sensationen" sehen, weil es die Leute nur wütend macht. Das gleiche gilt für die "offiziellen Stellungnahmen" (mit Ausnahme des AI-QNX-Bündnisses).

AB:
Können die NG-Amiga's einen ebensolchen Erfolg als die "ultimative Multimedia- Plattform" haben, wie der A1000 1985?

MO:
Wir alle wissen, daß die gegenwärtig für andere Plattformen verfügbaren Hardware-Lösungen weiter fortgeschritten sind als der langsame AGA-Chipsatz. Aber ich denke, es gibt immer einen Weg, sie zu schlagen, wenn es auch nicht mehr so leicht sein wird, wie 1985. Ich hoffe, daß wir die neuen Amiga's bald zu sehen bekommen (weil "neu" nicht einfach nur bedeutet "mit neuem Aufkleber an der Frontseite").

AB:
Möchtest Du zum Schluß noch eine allgemeine Aussage an alle eTeacher- und Amiga-Anwender loswerden?

MO:
Ich möchte allen Amiga-Anwendern ganz einfach dafür danken, daß sie noch immer Amiga-User sind. Ich möchte allen unseren Kunden und Electronic Teacher - Anwendern für ihre Unterstützung danken. Und als abschließendes Wort möchte ich sagen: Wenn Du nicht eines Tages Deine Toilette mit einem "Allgemeinen Schutzfehler" aufgehen sehen willst, dann bleibe bei einer alternativen Lösung ;-)

AB:
Marcin, Danke für das Interview.

-ab-

 

back inhalt next